Raw-Converter II: Capture One

Vor kurzem hatten wir einen Artikel auf der Seite, der sich mit Lightrom Classic CC beschäftigt hat. Der Grund war, dass ich mit dem neuen Abo-Modell nicht besonders glücklich bin. Eine der Alternativen ist Capture One Pro. Verfolgt hier meinen ersten Kontakt.



Allgemeines

Capture One Pro kommt von Phase One, einem Hersteller von Mittelformat Kameras, der die Software seinen Geräten beilegt. Mittlerweile hat sich das Programm allen potentiellen Kunden geöffnet, wird Sony-Nutzern sogar als Standard-Software mit an die Hand gegeben.

In der allgemeinen Wahrnehmung wird der Raw-Converter als reine Profi-Software dargestellt – im Gegensatz zu einem auch von Amateuren gern eingesetzten Lightroom. Im Profi-Segment scheint gerade die Retusche von Portrait-, Mode-, und generell Studio-Aufnahmen der ursprüngliche Fokus gewesen zu sein. Ein Indiz hierfür sind beispielsweise die speziell auf den Hautton abgestimmten Funktionen.

Dabei fällt zuerst auf, dass Capture One Pro teuer ist. Richtig teuer. Starten kann man für 280€, abonnieren ab 20€ pro Monat, Upgrades gibt es ab 120€. Das ist in jeder Hinsicht viel. Der Update-Preis liegt über dem ehemaligen Kaufpreis von Lightroom, für den aktuellen Kaufpreis kann man fast 3 Jahre Lightroom und Photoshop abonnieren. Das ist stolz. Während der Profi 10€ mehr pro Monat im Vergleich locker in den Geschäftsausgaben unterkriegt, ist die Hürde gerade für den ambitionierten Amateur recht hoch gesteckt.
Sollte man zusätzlich Photoshop von Adobe benötigen wird es extra teuer.

Start

Capture One kommt mit einer angenehmen 30 Tage Testphase daher – einmalige Registrierung zum Download vorausgesetzt. Diese startet ab erstem Programmstart und sticht die mickrigen 6 Tage von Lightroom locker aus.

Der erste Start läuft soweit erwartbar ab. Zuerst wird eine Katalogdatei an beliebiger Stelle angelegt. Der Start mit 15 Sekunden ist im Vergleich zum neuen Lightroom dann mittelmäßig, aber das ist mir um ehrlich zu sein egal. Man startet nur einmal. Anschließend wird importiert. 1 Minute 30 werden für 120 Bilder angegeben – vollkommen OK. Vorschauen werden in den folgenden 5 Minuten gerendert. Da dies im Hintergrund passiert erstmal nicht weiter relevant.

In der Zwischenzeit versuche ich mich zu orientieren. Es sind die kleinen Unterschiede, die das Programm fremd wirken lassen. Der „Filmstreifen“ – die Übersicht der vorherigen und nächsten Bilder – befindet sich auf der rechten Seite, nicht unten. Alle Einstellungen und Modifikationen werden von der linken Seite aus gestartet: „Spiegelverkehrt.“ Trivial – das ist mir klar – aber eine Umgewöhnung.

Overview
Was mir aber noch mehrfach durch den Kopf geht: Alles da. Ich vermisse keine Funktion von Lightroom, freue mich sogar über einige neue oder erweiterte Einstellmöglichkeiten.

Ein Foto

Die Ausrichtung von Capture One fällt weiter auf. Folgt man den Modulen des Programmes chronologisch, folgt auf die Bibliothek das Tethering – also die Aufnahme mit direkter Vorschau / Import in Capture One, wie es im Studio-Alltag benötigt wird. An mehreren Stellen präsentiert sich das Programm als solches Werkzeug für Shootings. Ich sortiere mir die Module (problemlos) um und lande – natürlich – bei meinem Lightroom Workflow. Bibliothek, Metadaten (Stichworte) vergeben, Belichtung und Kontrast, Farben, Schärfe, lokale Modifikationen und geometrische Anpassungen bis zum Export.

Capture One hat eine deutlich geringere Trennung zwischen einzelnen Modulen. Die Bibliotheksfuntionen sind viel mehr ein Tab des Editierpanels, so wie auch Belichtung und Farbmanagement als Tabs strukturiert sind. Die Aufsplittung in Themenbereiche erhöht zum einen die Übersicht, zum Anderen fällt der verzögerungsfreie Wechsel zwischen Bibliothek und Editieren auf. Sehr angenehm.

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Auch sonst ist das Programm schnell. Modifikationen – auch an rechenintensiven Stellschrauben wir Schärfe und Rauschreduzierung – werden im Bruchteil einer Sekunde auf das Bild angewandt. Gerade hier kann Lightroom auf meinem Rechner schon mal mehrere Sekunden arbeiten. Allerdings merkt man auch, dass CO entsprechend Leistung vom Rechner abruft: Die einzelne Editierung ist schnell auf das Bild angewandt, in dieser Zeit das Interface jedoch etwas ruckelig. Bei der Feinjustage einzelner Werte schon mal etwas anstrengend, aber nicht schlimm.

Colors2Auffällig ist der Fokus des Programms auf Farben. Viele Stellschrauben – z.B. direkt zur Anpassung von Hauttönen – stehen dem versierten Nutzer zur Verfügung. Das garantiert natürlich nicht für gute Ergebnisse, es ist vielmehr Fingerspitzengefühl nötig, aber ein wichtiger Fokus auf ein häufig vergessenes Themengebiet.

Insgesamt lande ich recht schnell und ohne viel „Gesuche“ bei einem finalen Bild. Das sieht zwar schrecklich aus, da die Erfahrung um die Wirkung der einzelnen Regler nicht da ist bzw. von Lightroom gefärbt wurde, aber das hake ich unter fehlenden Erfahrungswerten ab.

Der Überblick

Layers

Als das erste Bild dann „fertig“ ist, bleibt der Eindruck bestehen: Alles da – irgendwie anders, aber da. Ich könnte nicht sagen, dass CO oder LR das bessere Programm sind, schon gar nicht bezüglich der emotional geführten Diskussion des technisch besseren Raw-Converters (auch wenn man Capture One mehr Talent bei Fuji-Sensoren nachsagt). Mir erscheint Capture One etwas mächtiger, dem Nutzer auch an einigen Stellen etwas mehr Kontrolle über Parameter zu geben. Das muss man allerdings auch beherrschen können und wollen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass ein Wechsel von Seiten der Bedienung her innerhalb kürzester Zeit gemacht werden kann.

Dafür spricht das sogar die Möglichkeit besteht, Lightroom-Kataloge zu importieren. Hierbei gehen zwar wichtige Informationen verloren, alle lokalen Anpassungen zum Beispiel, aber fast alle Grundmodifikationen werden zumindest Näherungsweise übernommen. Das funktioniert ganz gut, allerdings müsste man trotzdem jedes Foto noch nachjustieren. Ein harter Schnitt scheint mir weiter praktikabler.

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Was ist also nun mit Capture One als Ersatz für das „Lightroom-Abo-Desaster“. Capture One kann – keine Überaschung – Lightroom ersetzen; so wie Lightroom es auch mit Capture One könnte. Für CO spricht, das es unter den Mitbewerbern der Raw-Converter sicherlich eine der umfassensten und auch bewährtesten Lösungen ist, die per klassischer Lizenz verfügbar ist. Bibliothek, Entwicklung, Druck & Export sind voll entwickelt und für den LR-Anwender auch überraschend einfach zugänglich.

Aber der Preis. 280€ einmalig und 110€ pro Update sind viel Geld – viel mehr als ein Lightroom inklusive Photoshop kostet; in der Abo-Variante ist Capture One gleich doppelt so teuer – Stand Alone tendenziell sogar noch mehr, und das ohne Photoshop als Schmankerl. Meines Erachtens ist das für derart ähnliche Software zu viel, zumal gerade das Abo ja vermieden werden sollte.

Ich werde Capture One im Hinterkopf behalten, auch noch einmal bezüglich der Portrait-Retusche explizieter testen, aber ein unmittelbarer Umstieg steht wohl nicht bevor. Schade eigentlich.

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One thought on “Raw-Converter II: Capture One

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