Von den Linsen im Line-Up für Fujifilm-Kameras wollte ich ein Objektiv schon lange ausprobiert haben: Das Fujinon XF 50-140mm F2.8. Ich hatte das Glas leihweise für einen Auftrag letzte Woche für ein paar Tage zur Verfügung. Zeit genug um ein paar Eindrücke zu sammeln und für euch einen kompakten Test aus der fotografischen Praxis niederzuschreiben.
Gerade als „Minitariurist“ – ich hatte damals u.a. wegen Gewicht und Größe den Wechsel zu Fuji vollzogen – fällt eines an diesem Objektiv sofort auf: es ist massiv. 17,6cm lang – egal bei welcher Brennweite – und nicht zu verachtende 1kg Gewicht bei einem Filterdurchmesser von 72mm (entspricht dem 10-24mm) sind auf dem Datenblatt notiert. Zum Vergleich: das summiert sich immerhin zum Gewicht zweier X-T3 Bodies auf. Andererseits sprechen wir – im Vergleich zu Full-Frame-Linsen – immernoch von einem eher zierlichen Ausmaß so das dieses Objektiv ohne größere Probleme in einem Fotorucksack verstaut werden kann. Trotzdem: Es ist nicht für Familienspaziergänge gemacht. Hier halten wir ein Arbeitsgerät in den Händen.
Das spiegelt sich auch im Preis des Objektivs deutlich wieder. 1.600€ UVP – Gebraucht für immer noch um die 1.100€ – sprechen eine deutliche Sprache. Manche Preise in der Fotografie sind meiner Meinung nach nur legitim, wenn Sie eine sich selbst finanzierende Investition sind. Das darf aber erst einmal nicht als Kritik am Objektiv selbst gesehen werden. Immerhin hat es die Chance verdient, den Preis zu rechtfertigen.
Für die aufgerufene Summe hat Fujifilm das Fujinon XF 50-140mm F2.8 mit einem WR im Namen versehen, also Weather Resistent = Wettergeschützt. Der größte Wettereinfluss meines Praxistests waren deutlich über 35°C Außentemperatur, mit anderen Worten: irrelevant. Das Online-Feedback zu diesem Feature ist jedoch durchweg positiv, was ich an dieser Stelle ohne Gewähr weitergebe.
Einsatzbereich
Als Einsatzbereich drängt sich für mich dieses Objektiv als die „Tele-Hälfte“ eines zweiteiligen Setups auf, dass sich auf die Reportage von und um Menschen dreht. Hochzeiten, Konzerte, Events. Gerade am langen Ende ist das Freistellungspotential durch F2.8 bei 140mm immens, die klassischen Portraitbrennweiten (bei Fuji 56mm, 90mm) sind abgedeckt und auch in schummerigen Situationen ohne Stativ und Blitz kann unabhängig von der Brennweite genug Licht eingefangen werden. Dieses Objektiv schreit geradezu nach Kirchen und Konzerthallen.
Um noch einmal den Bogen zu Größe und Gewicht zu schlagen: Das Objektiv wurde für genau diese Situationen gebaut in denen die Fotografie der zentrale Bestandteil des Moments oder sogar des Auftrag ist und somit losgelöst von Packmaß und Tragekomfort bewertet werden muss.
Apropos Einsatzbereich: Für einen besseren Eindruck der Wirkung der Brennweiten hier eine Gegenüberstellung der beiden extremen Enden.


Auf Safari geht man mit dem Fujinon XF 50-140mm F2.8 wohl eher nicht. Wer größere Brennweiten benötigt kann dies entweder mit dem Fujinon 100-400mm* oder dem – häufig auch im Paket verkauften – 1.4x oder 2x Teleconverter* etwas günstiger erreichen. Allerdings reduziert der Teleconverter die Blendenleistung um einen bzw. über einen Stop.
Für das andere Ende der fotografischen Bereiche ist das 50-140 auch nicht wirklich geeignet: mit ca. 1m Naheinstellgrenze und einer daraus resultierenden Abbildungsleistung von 0,27x ist dieses Fujinon nicht wirklich ein Makro-Objektiv, wie die folgenden Aufnahmen verdeutlichen:


Auch hier gilt: dies darf nicht als harsche Kritik an der Linse verstanden werden. Es ist nur die Eingrenzung des Einsatzbereiches.
Qualität
Das Objektiv wirkt entsprechend Preis und Gewicht wie für die Ewigkeit gebaut. Komplett aus Metall – was vermutlich alternativlos ist – mit angenehm großen und geschmeidig laufenden Einstellringen. In ungefähr einer viertel Drehung ist der komplette Brennweitenbereich präzise überwunden, was ohne umgreifen und entsprechend schnell funktioniert. Dabei ist der Widerstand auch hoch genug, um das Objektiv am Zoomring einfach nur zu halten. Das entspricht sehr genau meinen Wünschen.
Für eine bessere Gewichtsverteilung bietet das 50-140mm eine optionale Stativmontage, die sich frei drehen und auch abnehmen lässt. Das erleichtert das Fotografieren mit einem Stativ (Standsicherheit, Vibrationen durch Bedienung der Kamera) und die Nutzung würde ich wärmstens empfehlen. Ich würde bei diesen Brennweiten jedoch immer empfehlen, zusätzlich zum Stativ den Timer an der Kamera zu nutzen. Die Praxis – dazu gleich mehr – zeigt, dass 2s schon knapp bemessen sein können.
Eine kleine Besonderheit unter den XF-Linsen ist der kleine Umschalter mit der Beschriftung OIS, Optical Image Stabilisation = optische Bildstabilisierung. Fujifilm verspricht 5 Blendenstufen an Verschlusszeit. Ich bin hier immer sehr vorsichtig: Zum einen ist optische Stabilisierung immer ein Risiko und niemals so scharf wie die korrekte Verschlusszeit. Zum anderen funktioniert diese Stabilisierung auch nur bei statischen Motiven. Was bringt ein scharf abgebildeter Altar, wenn die Braut durch ihre Bewegung verwischt ist? Nichts desto trotz: Das System funktioniert gut. Bei 140mm Brennweite – hier würde ich intuitiv 1/250s, lieber noch schneller wählen – lassen sich bei bis zu 1/30s wirklich akzeptable Ergebnisse erzielen. Für Architektur, Landschaft oder Detailaufnahmen also sehr brauchbar. 5 Blendenstufen entsprechen dabei dem Stand der Technik. Hier der Vergleich zwischen OIS und Freihand bei besagten 1/30s. Da die kleine Vorschau nur begrenzt aussagekräftig ist findet ihr unter den Bildern Links zu Beispielfotos in voller Auflösung.


Volle Auflösung: OIS An, OIS Aus (pro Bild ca. 15MB)
Eine längere Verschlusszeit war bei 140mm nicht mehr zufriedenstellend.
Vergleichsfotos
Bevor wir nun die Bilder aus der weiten Welt betrachten gibt es noch ein paar vielsagende Aufnahmen aus dem Wohnzimmerlabor: Für diesen Test wurde in drei Brennweiten – 50mm, ca. 90mm und 140mm – bei Offenblende sowie abgeblendet auf F8 ein Testmuster abgelichtet. Dabei wurde die Entfernung zwischen Kamera und Testfläche derart verändert, dass der abgebildete Bereich nahezu identisch blieb. Die minimale Verschiebung in der Belichtung wurde in Lightroom verändert, ansonsten hat keine Editierung stattgefunden. Unter den Slidern werden die Bilder wie gehabt in voller Auflösung zum Download angeboten. Sagt Hallo zu meiner Tapete:


Da die Vorschau für sinnvolle Aussagen zu klein ist, hier alle Varianten als Beispielbilder in voller Auflösung. Genutzte Kombination: Fujinon XF 50-140mm F2.8 an der X-T2.
50mm f2.8, 50mm f8, 90mm f2.8, 90mm f8, 140mm f2.8, 140mm f8 (pro Bild ca. 15MB)
Auffällig im Vergleich der beiden Blendenstufen bei jeder Brennweite ist die sichtbare Vignettierung bei Offenblende. Ich persönlich merke das nur der Vollständigkeit halber an, da dieser Fehler – wenn nicht schon über das Objektivprofil – dann doch recht leicht in der Nachbearbeitung per Schieberegler ausgemerzt werden kann. Ansonsten fällt vor allen Dingen eines auf: Schärfe. Diese ist bei f8 in allen Brennweiten und in allen Ecken gegeben. Auch mit offener Blende ist das Objektiv knackscharf, aber vorerst nur in der Mitte. Gerade in den absoluten Randbereichen tritt ein nicht unangenehmer, aber merklicher Qualitätsverlust ein. Generell halte ich das für Meckern auf hohem Niveau, auch offen ist das Objektiv voll einsatzfähig.
Die Optik des Bokehs würde ich im positiven Sinne als unauffällig bezeichnen. Niemand wird es lobend hervorheben, es wird aber auch niemand vom eigentlichen Motiv abgelenkt. Unauffällig eben. Zu berücksichtigen ist aber, dass das Objektiv durch die lange Brennweite ebenfalls sehr gut freistellen kann. Hier ist die Kombination aus Blende und Brennweite entscheidend und von Vorteil.
Insgesamt überzeugt hat mich der Autofokus. Schnell waren bei gutem sowie bei Dämmerlicht in Immernräumen die richtigen Einstellungen ohne Hunting gefunden. Dabei lag die Trefferquote bei nahezu 100%. Generische Tests von kontinuierlichem Fokus und gemäßigten Bewegungen haben für mich ebenfalls keinen Wunsch offen gelassen, wenn auch eben nicht in einer tatsächlichen Shooting-Situation erprobt.
Hands-On
Nach all der Theorie kommen wir nun zur Praxis.
Mittwochs im Bergischen Land. Beauty Shoot für eine Kläranlage. 38°C. Was wie das Drehbuch für einen neuen Monty-Python-Film klingt, war der Bewährungstest für das Fujinon XF 50-140mm F2.8. Für den Webauftritt eines Branchendienstleisters sollten neue Bilder her. Gerade für die etwas abstrakteren Shots hatte ich große Hoffnung in das Zoom-Objekt an meiner Fujifilm X-T2 gesetzt.
Was bleibt von diesem Tag hängen? Natürlich Größe und Gewicht. Zwar ist das Objektiv in der Handhabung nie unangenehm, aber entspannt am Gurt baumeln lassen kommt irgendwie nicht in Frage. Auch die Nutzung auf dem Stativ ist nicht so geradlinig, wie gedacht. Der 2 Sekunden-Timer wirkt an einigen Stellen fast etwas knapp bemessen. Eine Erfahrung für den nächsten Termin. Besonders interessant: Mit dem 56mm F1.2 habe ich das – was Offenblende und Abbildungsleistung angeht – deutlich bessere Objektiv im Kamerarucksack dabei. Aber ich nutze es kaum. In der speziellen Umgebung sehe ich keinen Vorteil in der besseren Blende, die Flexibilität von 90mm Brennweitenbereich sind richtig angenehm und die Komprimierung des Hintergrundes durch die lange Brennweite ein passender Effekt für die Situation. Das hätte ich so erst einmal nicht erwartet.
Alles in allem präsentiert sich das Objektiv als genau das Arbeitstier, dass ich mir erhofft und erwartet habe. In Kombination mit einem zweiten Body und dem 16-55 f2.8 kann man vermutlich jede Lebenslage meistern.
Hier eine kleine Auswahl an Aufnahmen von diesem Tag. Klick für Vollbildansicht.
Gesamteindruck
Das Fujinon XF 50-140mm F2.8 macht eine Zusammenfassung nicht gerade leicht. Meines Erachtens und dem Tenor anderer Tests nach zu Urteilen handelt es sich um ein Objektiv, dass zweifellos beste Qualität liefert – auch im Vergleich zur Konkurrenz. Was das bedeutet haben wir in diesem Artikel en Detail betrachtet.
Aber das Objektiv ist sehr speziell. Das fängt beim Preis an: 1.600€ sind gutes Geld und schließen nicht nur den Hobbyisten sondern wohl auch einen Großteil der Enthusiasten aus. Meiner Meinung nach richtet sich dieses Objektiv ganz klar an Profis im Hochzeits- und Reportage-Geschäft. Ein klein wenig scheint die Linse auch darauf limitiert – was kein Nachteil, nur eine Eigenschaft ist. Hinzu kommen die Dimensionen: Einen wirklichen Vorteil von Spiegellosen ganz allgemein oder Fuji im Speziellen sehe ich hier, was Größe und Gewicht angeht, nicht mehr. Ja, es ist etwas kleiner und leichter als die Konkurrenz, aber ob nun 1kg oder 1,3kg ist dann auch egal.
Für mich bedeutet das, dass sich das Objektiv zu wenig in meinen privaten Alltag integrieren würde. Denn Fuji ist für mich eben ein „immer dabei“ System. Das ist dem Objektiv gegenüber wegen seiner überragenden Qualität etwas unfair. Und so werde ich das Fujinon XF 50-140 beim nächsten Shooting garantiert wieder ausleihen. Denn besitzen muss ich es nicht, benutzen will ich es schon.
Lena
Moin!
Ist das Objektiv mit einem 70-200 2,8 an einer Vollformatkamera was die Freistellung und die Abbildung angeht in etwa vergleichbar? Bin auf der Suche nach einem Telezoom für meine Fuji xt4, das diesem vollformatklassiker nahe kommt.
Vg, lena
Sebastian
Moin Lena,
auch wenn du das Thema für dich wahrscheinlich mittlerweile schon abgeschlossen hast: Es ist rein akademisch betrachtet nicht ganz vergleichbar, da sich die Schärfentiefe, also auch die Hintergrundumschärfe beim Vollformatsensor noch etwas kleiner gestaltet. Bei drei Meter Distanz zum Objekt hast du bei 200 mm VF und einer Blende f/2.8 eine Schärfeebene von 3,4 cm. Bei 140 mm APS-C und Blende f/2.8 ist die Schärfeebene 4,6 cm groß. Im Prinzip vernachlässigbar, aber eben doch nicht gleich. Hier kannst du selber etwas nachrechnen: https://digicam-experts.de/schaerfentiefe.php. Entschuldige die späte Rückmeldung und viel Spaß beim Freistellen mit den langen Brennweiten 🙂 VG Sebastian